16 Jul 2021 Autowissen
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Unterlassene Hilfeleistung im Straßenverkehr: Das musst Du wissen!

Im Straßenverkehr ist nicht nur Rücksicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer geboten. In Gefahrenlagen musst Du Dich pflichtbewusst verhalten und richtig handeln. Wer in solchen Situationen seine Rechtspflicht zum Handeln verletzt, macht sich der sogenannten unterlassenen Hilfeleistung strafbar. Damit Du erst gar nicht in eine solche heikle Lage gerätst, erklären wir Dir, was unter unterlassene Hilfeleistung alles fällt und was es zu beachten gilt. Bist Du bereit? Los geht’s!

Unterlassene Hilfeleistung im StGB: Definition

Wie für alle anderen strafrechtlich relevanten Delikte gilt auch für die unterlassene Hilfeleistung: Es können nur Handlungen bestraft werden, die als Straftaten klar definiert sind. Logisch: Nur wenn Du weißt bzw. erfahren kannst, was unter Strafe steht, kannst Du von den betreffenden Handlungen absehen. Das gilt übrigens auch für die zu setzenden Strafmaße, die ebenfalls einer Festsetzung bedürfen. Für die unterlassene Hilfeleistung sind §13 StGB und §323c StGB ausschlaggebend. Was diese besagen? Das verraten wir Dir gleich!

Was ist unterlassene Hilfeleistung?

Unterlassene Hilfeleistung zählt zu den sogenannten echten Unterlassungsdelikten. Bei solchen Straftaten werden keine Handlungen, sondern „Nicht-Handlungen“ bestraft. Mit anderen Worten: Es liegt immer dann unterlassene Hilfeleistung vor, wenn jemand offensichtlich dringend auf Deine Hilfe angewiesen ist und Du jedoch nichts unternimmst, um ihm aus seiner Not zu helfen. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Sollte es offensichtlich sein, dass Dein Eingreifen Dich selbst in unzumutbare Gefahr bringen würde, dann kann Dir niemand unterlassene Hilfeleistung vorwerfen.

Unterlassungsdelikte laut §13 StGB

Eigentlich bist Du es gewohnt, dass konkrete Handlungen als strafbar eingestuft werden. Als Verkehrsteilnehmer dürfte Dir beispielsweise klar sein, dass Fahrerflucht, Alkohol am Steuer oder die Nutzung des Handys am Steuer strafbare Taten darstellen. Allerdings kann auch das Nicht-Handeln unter Strafe stehen. Und das regelt StGB §13 (1), in dem es wortwörtlich heißt:

„Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.“

Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Mit einfachen Worten: Tritt etwas ein, was Du hättest abwenden können, indem Du Deiner im Gesetz verankerten Pflicht (zum Beispiel Handlungspflicht in Notsituationen) nachgekommen wärst – dann begehst Du eine Straftat durch Unterlassen, sprich: ein Unterlassungsdelikt.

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Achtung! Hier könnte unterlassene Hilfeleistung drohen – wenn Du das Warndreieck ignorierst und Deiner Handlungspflicht nicht nachkommst.

Unterlassene Hilfeleistung nach §323c StGB

Der eigentliche Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung wird in StGB §323c (1) definiert. Dort heißt es:

„(1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

Hierin sind alle wichtigen Elemente vorhanden, die eine Nicht-Handlung zu einer unterlassenen Hilfeleistung werden lassen. Im Klartext muss Folgendes zutreffen:

  • Notsituation
  • Offensichtlich erforderliche Hilfe
  • Zumutbarkeit
  • Keine eigene Gefährdung
  • Keine Verletzung anderer wichtigen Pflichten durch die Hilfeleistung
Wusstest Du das? Die unterlassene Hilfeleistung fällt in die Kategorie der Vorsatzdelikte. Warum? Ganz einfach: Um Deine Handlungspflicht verletzen zu können, musst Du Dir dessen bewusst sein, dass Dein Handeln gefragt ist. Somit ist nur das vorsätzliche Nicht-Helfen in Verbindung mit einem bewussten Ignorieren einer ersichtlichen Gefahrensituation als Unterlassungsdelikt strafbar.

Unterlassene Hilfeleistung: Strafen

Für die unterlassene Hilfeleistung ist das anzuwendende Strafmaß in StGB §323c (1) geregelt:

  • Die unterlassene Hilfeleistung ist ein Vergehen, das mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet wird.
  • Alternativ kommt für dieses Unterlassungsdelikt eine Geldstrafe in Frage.

Wichtig: Unterlassene Hilfeleistung hat nicht nur strafrechtliche Konsequenzen. Auch zivilrechtliche Folgen können sehr teuer werden. Denn in dem Fall können die Geschädigten Schadensersatzansprüche gegen Dich geltend machen. Und verkehrsrechtlich? Hier drohen Dir drei Punkte in Flensburg!

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Gib Unterlassungsdelikten keine Chance – mit einer helfenden Hand für Personen in der Not.

Wo fängt unterlassene Hilfeleistung an?

Egal, wie schwach Du Dich fühlst oder wie gefährlich die Situation zu sein scheint, den Notruf wählen solltest Du immer. Denn auch wenn Du – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage bist, Erste-Hilfe-Maßnahmen einzuleiten oder die Person aus der Gefahrensituation zu befreien, die 112 und / oder die 110 zu wählen, das dürfte jedem zumutbar sein. Wenn Du das nicht tust, dann machst Du Dich definitiv der unterlassenen Hilfeleistung strafbar.

Gut zu wissen: Wenn Du einen Führerschein besitzt, dann wird im Straßenverkehr von Dir mehr erwartet, als nur den Notruf zu wählen. In dem Fall solltest Du die Rettungskette beherrschen sowie mit der stabilen Seitenlage, primären Wundversorgung und der Herzdruckmassage vertraut sein. Außer natürlich Du würdest Dich damit selbst in Gefahr bringen – zum Beispiel mitten in der Nacht auf einer verlassenen Landstraße.

Unterlassene Hilfeleistung: Beispiele aus dem Straßenverkehr

Es gibt zahlreiche Situationen, in denen andere Verkehrsteilnehmer auf Deine Hilfe angewiesen sind. Im Folgenden schildern wir Dir kurz drei Beispielsituationen, in denen von unterlassener Hilfeleistung die Rede sein könnte.

Handlungspflicht – Fall 1: Vor Dir ereignet sich ein Unfall

Du fährst die gleiche Strecke wie immer und auf einmal wirst Du Zeuge eines Unfalls. In dem Fall bist Du sogar beteiligt, da Du als Zeuge zur Rekonstruktion des Tathergangs wichtig sein könntest. Je nachdem, wie Du Dich verhältst, droht Dir Fahrerflucht (wenn Du einfach weiterfährst) und / oder unterlassene Hilfeleistung. Wenn Du anhältst, vor Ort bleibst, jedoch keinerlei Erste-Hilfe-Maßnahmen einleitest, obwohl aus der Situation ersichtlich wird, dass Du das tun solltest, dann begehst Du ein echtes Unterlassungsdelikt. Fällst Du noch als Gaffer auf, drohen Dir noch weitere Konsequenzen.

Handlungspflicht – Fall 2: An der Straße bricht ein Fußgänger zusammen

Du stehst an der Ampel und auf einmal siehst Du, wie eine Person plötzlich zu Boden fällt. Auch hier besteht eine Rechtspflicht zum Handeln. Ignorierst Du die Situation und überlässt die Person ihrer Not – handelt es sich ebenfalls um unterlassene Hilfeleistung.

Handlungspflicht – Fall 3: Du wirst Zeuge einer Prügelei an der Straße

Auch bei körperlichen Auseinandersetzungen, die Du wahrnimmst, gilt: Wegschauen ist keine Option. Also wenn Du gerade im Auto unterwegs bist und Du an der Bus-Haltestelle oder auf dem angrenzenden Bürgersteig siehst, wie jemand Opfer eines Gewaltverbrechens wird bzw. in der Not ist und auf Deine Hilfe angewiesen zu sein scheint, dann ist auch hier Deine Handlungspflicht gefragt.

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Bei Verletzten gilt: Schnell der eigenen Handlungspflicht nachkommen und kein Unterlassungsdelikt begehen!

Handlungspflicht – Fall 4: Du verletzt jemanden im Straßenverkehr

Die absolute Horrorvorstellung: Du biegst nach rechts ab und übersiehst einen Fahrradfahrer oder einen Fußgänger – und triffst ihn. In dem Fall solltest Du schleunigst Deiner Handlungspflicht nachkommen. Tust Du das nicht, begehst Du ein echtes Unterlassungsdelikt – ganz abgesehen von den weiteren Straftaten, die Dir noch zu Lasten gelegt werden (wie zum Beispiel fahrlässige Körperverletzung bzw. Tötung).

Garantenstellung und Garantenpflicht

Wie heißt es so schön? Vorbeugen ist besser als heilen, nicht wahr? Auch das hat der Gesetzgeber im Blick gehabt. Daher stehen Nicht-Handlungen unter Strafe, die dafür verantwortlich sind, dass eine Gefahrensituation eintrifft, die absehbar war und hätte verhindert werden können. Ein Beispiel aus dem Straßenverkehr? Du siehst wie jemand sturzbetrunken ins Auto steigt und greifst nicht ein. In dem Fall verletzt Du Deine Garantenpflicht, da es absehbar ist, dass die Person in dem Zustand sich und andere in große Gefahr bringen wird.

Tipp: Du möchtest mehr zum Thema Alkohol am Steuer wissen? Mit einem Klick gelangst Du zu allen Infos! Und wenn wir schon dabei sind: Schau Dir doch unseren Beitrag zum Thema MPU an – der wird Dir ganz sicher auch gefallen!

Unterlassene Hilfeleistung: Verjährung

Wie bei anderen Straftaten auch, sind Unterlassungsdelikte nicht ewig verfolg- bzw. vollstreckbar. Für die unterlassene Hilfeleistung gilt eine Verfolgungsverjährung von 3 Jahren sowie eine Vollstreckungsverjährung von 5 Jahren. Was das bedeutet? Ganz einfach: Ohne Kläger, kein Richter – und ohne Angeklagten kein Urteil. Mit anderen Worten: Wenn die unterlassene Hilfeleistung nicht innerhalb von 3 Jahren durch entsprechende Ermittlungen und gültiges Urteil rechtskräftig wird, ist die Straftat nach Ablauf dieses Zeitraums nicht mehr verfolgbar. Zieht sich hingegen die Vollstreckung in die Länge, dann ist auch in dem Fall nach 5 Jahren Feierabend.

So, nun bist Du aber an der Reihe: Bist Du schon mal Zeuge unterlassener Hilfeleistung gewesen? Oder bist Du vielleicht mal selbst in eine Situation geraten, wo Du auf fremde Hilfe angewiesen warst? Wir sind sehr gespannt auf Deinen Erfahrungsbericht!

Chris von ATP

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