2 Mai 2022 Autowissen
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Nötigung im Straßenverkehr: Beispiele, Strafen & Co.

Laut einer statista-Umfrage aus dem Jahr 2011 gehören Drängler, notorische Linksfahrer und Schleicher zu den unbeliebtesten Verkehrsteilnehmern auf deutschen Straßen. 11 Jahre später dürfte sich wenig daran geändert haben. Aber gilt Drängeln, Ausbremsen & Co. nicht nur als Gefährdung, sondern auch als Nötigung im Straßenverkehr? Auf die Situation kommt es an! Was Nötigung im Straßenverkehr bedeutet, konkrete Beispiele sowie drohende Strafen – all das und vieles mehr erfährst Du hier. Bist Du bereit? Let’s go!

Nötigung im Straßenverkehr: Das steckt dahinter!

Dass Du in der StVO keinen Absatz zum Thema „Nötigung im Straßenverkehr“ findest, hat einen guten Grund: Zum einen stellt eine Nötigung eine Straftat dar und gehört somit ins StGB. Zum anderen gibt es den Straftatbestand der „Nötigung im Straßenverkehr“ als solchen gar nicht. Ausschlaggebend ist der § 240 StGB, der den allgemeinen Straftatbestand der Nötigung festlegt. Somit ist die „Nötigung im Straßenverkehr“ eine besondere Ausprägung des unter Strafe gestellten Tatbestands der „Nötigung“. Was im § 240 StGB steht? Das erfährst Du jetzt!

Nötigung im Straßenverkehr – StGB, § 240 Abs. 1

Im besagten § 240 StGB sind für unsere Zwecke insbesondere die Absätze (1)–(3) wichtig. Dort steht:

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

StGB § 240
Gut zu wissen: In § 240 (4) StGB ist geregelt, was als schwere Nötigung zu werten ist: Die dort genannten Fälle (Nötigung zum Schwangerschaftsabbruch und Missbrauch von Befugnissen bzw. Amtsträger-Stellung dürfte Dich im Straßenverkehr kaum betreffen. Außer wenn Du von der Polizei genötigt wirst, was eher nicht bzw. äußerst selten eintreffen dürfte.

Aber was bedeuten diese drei Absätze konkret, sprich: Was bedeutet Nötigung eigentlich? Das verraten wir Dir sofort!

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Für die Nötigung im Straßenverkehr ist § 240 StGB zuständig.

Was bedeutet Nötigung?

Die entscheidenden Punkte sind unmissverständlich formuliert. Von Nötigung kann nur die Rede sein, wenn folgende Elemente zusammenspielen:

  • Gewalt – ob physischer oder psychischer Natur – bzw. Drohung.
  • Empfindliches Übel
  • Zwang, etwas gegen seinen Willen zu tun
  • Rechtswidrigkeit
  • Einflussmöglichkeit

Somit liegt immer dann eine Nötigung vor, wenn eine Person, unter Anwendung von psychischer Gewalt (Stress / Druck / Drohung) bzw. physischer Gewalt (Festhalten zum Beispiel), eine andere Person dazu zwingt, etwas zu tun bzw. nicht zu tun, was sie ansonsten nicht getan bzw. getan hätte. Dabei spielt die Druckausübung eine große Rolle, da es ein „empfindliches Übel“ geben muss – sprich: Das „Opfer“ muss sich in die Enge getrieben fühlen und keinen anderen Ausweg mehr sehen, als der Nötigung nachzukommen, um nicht größeres Leid (Schläge usw.) zu erfahren. Ganz wichtig ist auch, dass das Nötigungsmittel (also das, womit der Täter Druck ausübt) rechtswidrig ist und dass der „Täter“ die als Nötigung empfundene Handlung beeinflussen kann.

Tipp: Erteilt ein Polizist einem wütenden Hooligan einen Platzverweis unter Androhung härterer Strafen, liegt hier keinerlei Rechtswidrigkeit und somit auch keine Nötigung vor.
Wusstest Du das? Wie bei allen Handlungen, die unter Strafe stehen, geht es auch bei der Nötigung darum, ein Rechtsgut zu schützen. In dem Fall geht es um das Recht auf freie Entfaltung, das im Deutschen Grundgesetz (GG Art. 2) verankert ist und eine allgemeine Handlungsfreiheit definiert. Wenn jemand Dich rechtswidrig in Deiner Handlungsfreiheit einschränkt, entzieht er Dir ein wesentliches Grundrecht und macht sich folglich der Nötigung schuldig.

Was ist Nötigung im Straßenverkehr?

Dass im Strafgesetzbuch hierfür kein spezifischer Paragraph vorliegt, bedeutet nicht, dass es keine Nötigung im Straßenverkehr gibt. Ganz im Gegenteil: Alle Verkehrsteilnehmer – Autofahrer, Fahrradfahrer, Fußgänger usw. – können durch Nötigung in die unangenehme Lage gebracht werden, von ihrem eigentlichen Vorhaben abzuweichen. Also: Was ist Nötigung im Straßenverkehr?

  • Nötigung liegt immer dann vor, wenn jemand Dich vorsätzlich und rechtswidrig dazu zwingt, etwas zu tun, was Du nicht tun möchtest.
  • Auch die versuchte Nötigung steht bereits unter Strafe, daher ist es unwichtig, ob der Täter sein Ziel tatsächlich erreicht oder nicht.

Die Nötigung im Straßenverkehr hat sehr viele Gesichter. Ob Ausbremsen, Zuparken oder Drängeln – es gibt sehr viele Situationen, die für den Täter übel ausgehen können. Welche das sind, das verraten wir Dir jetzt!

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Drängeln im Straßenverkehr kann in bestimmten Fällen als Nötigung ausgelegt werden.

Nötigung im Straßenverkehr: Beispiele

Laut einer statista-Umfrage aus dem Jahr 2009 stören Raser und Drängler auf der Autobahn am meisten. Und gerade diese Kategorie von Autofahrern enthält besonders gut geeignete Kandidaten für Nötigungsdelikte auf der Autobahn. Allerdings gibt es noch ganz andere Nötigungs-Szenarien, die sich sowohl auf der Autobahn als auch im übrigen Straßenverkehr abspielen können.

Nötigung im Straßenverkehr – Ausbremsen

Je nach vorliegender Situation kann Ausbremsen als Nötigung gewertet werden. Besonders heikel wird es, wenn Du ohne jeglichen ersichtlichen Grund den Hintermann ausbremst. Auch hier gilt: Je länger das Ausbremsen dauert, desto wahrscheinlicher wird die Auslegung als Nötigung. Allerdings solltest Du nicht denken, dass jedes Vorderauto, das Dich zwingt abzubremsen, sich der Nötigung strafbar macht. Nur zwei Beispiele zur Veranschaulichung:

  • Der Vordermann legt eine Vollbremsung hin, um einem schlimmen Autounfall vorzubeugen.
    • Auslöser hierfür kann ein plötzlich ausscherender Lkw oder ein hinter einer Kurve verstecktes Stauende sein.
    • Eine Gefahrenbremsung Deines Vordermannes dürfte von keinem Gericht als Nötigung gewertet werden.
  • Ohne ersichtlichen Grund schneidet Dich ein Auto und bremst Dich aus, sodass Du selbst eine Vollbremsung hinlegen musst, um keinen Autounfall zu bauen.
    • In dem Fall wird das Ausbremsen als Nötigung gelten.
Tipp: Bei allem Ärger solltest Du niemals Drängler ausbremsen. Warum? Ganz einfach: Weil es nicht Deine Aufgabe ist, Drängler zu erziehen und Du damit rechtswidrig handeln würdest. Unser Rechtsstaat sieht hierfür legale Mittel vor – wie zum Beispiel eine Anzeige. Wenn Du einen Drängler wegen Nötigung im Straßenverkehr anzeigst, kann es durchaus sein, dass er mit einer Gegenanzeige „zurückschießt“ und Dich der Nötigung durch Ausbremsen beschuldigt.
Noch ein Tipp: Auch bei vorliegender Nötigung solltest Du den Mittelfinger im Straßenverkehr lieber nicht zeigen. Ansonsten musst Du mit einer Anzeige wegen Beleidigung rechnen.
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Wenn Drängler die Lichthupe einsetzen, müssen sie mit einer Anzeige wegen Nötigung rechnen.

Drängeln mit oder ohne Lichthupe – Nötigung

Du fährst auf der Autobahn und überholst gerade mit der maximal erlaubten Geschwindigkeit einen LKW. Plötzlich kommt ein Sportwagen von hinten angeschossen und rückt Dir auf die Stoßstange – mit Betätigung der Lichthupe, um den Druck ordentlich zu erhöhen. Liegt hier Nötigung vor?

  • Gerade bei hartnäckigem Drängeln mit Lichthupe, gibt es nicht viel zu diskutieren.
  • Je länger das Nötigungsmittel angewandt wird, desto härter dürfte die Strafe ausfallen.
  • Fährt nur jemand kurzfristig zu dicht auf, um den zu kurzen Abstand rasch wieder zu erhöhen, kann von Nötigung im Straßenverkehr nicht die Rede sein.
Wusstest Du das? Auch wenn ein kurzes Drängeln mit Lichthupe keine Nötigung darstellt, gefährdend für den Straßenverkehr bleibt es dennoch. Somit musst Du mit entsprechenden Bußgeldern, Punkten, wenn nicht gar mit einem Fahrverbot rechnen. Dasselbe gilt übrigens für die anderen gefährlichen Manöver, wenn sie ohne Absicht erfolgen – schlimmstenfalls kannst Du sogar die Fahrerlaubnis verlieren und Du musst zur MPU.

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Nötigung im Straßenverkehr durch Zuparken? Auch hier musst Du mit einer Anzeige rechnen.

Nötigung im Straßenverkehr – weitere Beispiele

Neben Drängeln – mit oder ohne Lichthupe – und Ausbremsen gibt es noch einige Handlungen, die im Straßenverkehr als Nötigung gewertet werden können:

  • Wenn jemand absichtlich Deine Einfahrt zugeparkt hat, um Druck auf Dich auszuüben, kann das als Nötigung gelten.
    • Solltest Du jedoch beim Falschparker ein Exempel statuieren wollen und das störende Auto so zuparken, dass es nicht mehr hinausfahren kann, musst Du selbst mit einer Anzeige wegen Nötigung rechnen.
  • Auch Fußgänger können Opfer von Nötigung im Straßenverkehr werden.
    • Zum Beispiel wenn ein Fußgänger über einen Zebrastreifen bzw. über die Straße geht und ein herannahender Autofahrer durch Beschleunigung den Passanten zwingt, die Straße zu „räumen“.
  • Das Gleiche gilt für Radfahrer: Wer einen Fahrradfahrer in die Enge treibt und dazu zwingt, auszuweichen, rückt einer Anzeige wegen Nötigung ein gutes Stückchen näher.
    • Strenggenommen kann auch ein Blockieren des Fahrradweges – ob als Fußgänger oder als Falschfahrer als Nötigung ausgelegt werden.
  • Durch Hupen Nötigung zu betreiben, gilt nur, wenn das Hupen nicht nur als unangenehme Belästigung, sondern als Zwang, etwas zu tun, empfunden wird.
    • Insbesondere wenn das Hupen eine Gefahrensituation herbeiführt, kann Nötigung bisweilen geltend gemacht werden
Tipp: Hupen ohne Grund kann unangenehme Folgen haben. Zu welchem Zweck darf die Hupe innerorts und außerorts benutzt werden? Das erfährst Du mit nur einem Klick!
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Übertriebenes, anhaltendes aggressives Hupen kann als Nötigung gewertet werden.

Anzeige wegen Nötigung im Straßenverkehr? Strafen, Punkte & Co.

Zu guter Letzt wollen wir Dir noch schildern, Mit welchen Konsequenzen Du bei Nötigung im Straßenverkehr rechnen kannst.

Nötigung als Offizialdelikt

Im Unterschied zu den Beleidigungen gilt die Nötigung als Offizialdelikt. Und das bedeutet: Nötigungsvergehen werden auch ohne Anzeige strafrechtlich verfolgt. Somit kannst Du auch dafür belangt werden, wenn eine Verkehrskamera oder ein Streifenwagen zufällig die Situation festhält bzw. mitbekommt. Die gute Nachricht ist: Bei jeder Anzeige wird auch sofort ein Ermittlungsverfahren eröffnet.

Ist Nötigung eine Straftat?

Ja, die Nötigung ist eine Straftat, die auch im Strafgesetzbuch verankert ist. Aufgrund des Strafmaßes zählt die Nötigung zu den sogenannten Vergehen und stellt somit kein Verbrechen dar.

Nötigung im Straßenverkehr – Strafe

Je nach Schwere des Straftatbestandes musst Du bei Nötigung im Straßenverkehr mit folgendem Strafmaß rechnen:

  • Laut StGB § 240 (1) kann Nötigung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden.
    • Geldstrafen werden in Tagessätzen ausgesprochen.
    • Dabei richtet sich die Höhe des Tagessatzes nach dem Nettoeinkommen des Angeklagten.
  • Im Falle von schwerer Nötigung steigt das zu erwartende Strafmaß dementsprechend:
    • Hier sieht StGB §240 (4) eine Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten bis hin zu 5 Jahren vor.
Gut zu wissen: Wird der Fall nicht als Nötigung im Straßenverkehr gewertet, drohen dennoch saftige Sanktionen. Ob Abbremsen, Schleichen, Schneiden oder Drängeln – eine Gefährdung des Straßenverkehrs ist gerade auf der Autobahn unstrittig. Somit sind Punkte in Flensburg und Bußgelder die Folge. Bei besonderer Schwere droht ein dreimonatiges Fahrverbot oder sogar der Entzug der Fahrerlaubnis – ob mit oder ohne Anordnung einer MPU.
Auch interessant: Kommt es zu einem Autounfall, ist auch noch Alkohol am Steuer im Spiel oder liegt ein Handyverstoß vor, kann es nicht nur in Sachen Punkte, Bußgelder & Co. unangenehm werden. Die Kfz-Versicherung kann Dich am Ende noch wegen Fahrlässigkeit auf den Kosten sitzen lassen.
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Ob Ausbremsen oder Drängeln – bei Nötigung auf der Autobahn drohen saftige Strafen.

Anzeige wegen Nötigung im Straßenverkehr ohne Zeugen? Diese Beweise gelten

Da es sich um ein Offizialdelikt handelt, wird jeder Anzeige nachgegangen. Und da bei Nötigung die Einschränkung des Grundrechts der Handlungsfreiheit im Mittelpunkt steht, brauchst Du an sich keine Zeugen. Problematisch wird es allerdings, wenn der Angezeigte Deiner Schilderung widerspricht und es nun Aussage gegen Aussage steht. Hier zahlt sich Präzision aus:

  • Merke Dir unbedingt das Kennzeichen des betreffenden Fahrzeugs.
  • Auch Farbe, Modell & Co. solltest Du Dir aufschreiben.
  • Beschreibe die Situation so präzise wie möglich – vielleicht fallen Dir doch potenzielle Zeugen ein, die am Straßenrand oder auf der Nebenspur das Geschehen mitbeobachtet haben könnten.
  • Wenn Du Angaben zum Fahrer machen kannst, umso besser!
  • Mit etwas Glück lässt sich eine Verkehrskamera zur Klärung des Tathergangs auswerten.
Gut zu wissen: Hierzulande sind Dashcams erlaubt und können auch als Beweismaterial vor Gericht zugelassen werden. Hast Du also die Nötigung mit gefilmt, solltest Du das Material sicher aufbewahren und für die Ermittlungen zur Verfügung stellen.
Tipp: Selbst wenn es Aussage gegen Aussage steht – ein Verfahren wegen Nötigung wird nicht einfach so eingestellt. Zudem kann eine Aussage als weniger glaubwürdig erscheinen – zum Beispiel, wenn eine Person bereits ein entsprechendes Vorstrafenregister hat oder bereits in der Vergangenheit wegen Nötigung im Straßenverkehr angezeigt wurde.

So, nun weißt Du, warum Drängeln, Ausbremsen & Co. als Nötigung im Straßenverkehr gewertet werden können. Jetzt sind wir aber neugierig: Hast Du bereits jemanden wegen Nötigung angezeigt? Was war in dem Fall das Nötigungsmittel? Wie ist es ausgegangen? Wir sind sehr gespannt auf Deinen Bericht!

Chris von ATP

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